Von leeren Batterien und offenen Rechnungen

Das vorerst letzte Kapitel in Südostasien - Und wahrscheinlich die persönlichste Etappe. Unfinished Business, Social-Batterys und Taxation in Südostasien. Mehr Random gibt's nicht!

Pallo XOXO

2/20/20248 min read

Habt ihr schonmal von der Social-Battery gehört? In Deutschland vermutlich eher selten, fällt das Wort beim Traveln gerade im Umfeld von englischen Muttersprachlern relativ oft. Qua Definition steckt dahinter metaphorisch „die Energie, die jemand zum Sozialisieren mit anderen Individuen aufbringt“. Und wie es bei Batterien eben so ist, gibt es natürlich eine irgendwo begrenzte Kapazität. Verbringt man also beim Traveln Wochen und Monate dauerhaft unter ständig wechselnden Leuten, bei denen Konversationen bzw. Interaktionen stets eine Mischung aus intensiver Kurzlebigkeit vermengt mit jeder Menge Alkohol und Dopamin beinhalten, muss selbst der beste Akku irgendwann geladen werden.

Das erste Mal, dass sich bei mir ein derartiges Gefühl ausbreitete, war während meiner knapp einwöchigen Dauersurfparty auf Siargao. Eigentlich eine der geilsten Wochen meiner bisherigen Reise, wurde mir zum Ende zunehmend bewusst, dass ich neben Surf&Drink selbst für einfache WhatsApp-Nachrichten fast keine Zeit mehr fand, kaum zur weiteren Reiseplanung kam und einfach ein paar Tage Ruhe wollte. Meine Batterie war leer!

Mein Visum in den Philippinen auch! Aber wohin? Das nächste wirkliche Abenteuer stand mit Australien zwar schon fest, bis zum bereits gebuchten Flug von Bangkok nach Cairns galt es aber noch knapp 14 Tage zu überbrücken. Und im Hinblick auf diese Planung war ich wie gesagt ziemlich in Verzug. Zwei Wochen Thailand 3.0? Nein danke! Flug umbuchen und früher nach Australien? Schwierig…

„Hey Pascal, was ist eigentlich mit deinem Knie passiert?“ Irgendwo zwischen all diesen Gedanken wurde ich so plötzlich in die Realität zurückgeholt und antwortete maximal verdutzt: „Was?“ „Naja die Narbe auf deinem linken Knie!“ „Oh ja, ähm… Lange Geschichte. Bin mit einem Roller im Norden von Laos gestürzt.“ „Oh mein Gott, das musst du erzählen!“ Gesagt getan und während ich die folgenden Minuten das gefühlt hundertste Mal von meinem Unfall erzählte, wurde eine Sache auf einmal absolut klar für mich. Anfangen und nicht zum Ende bringen ist eigentlich überhaupt nicht mein Ding. In Laos gibt es unfinished Business, sozusagen eine offene Rechnung, die ich erledigen muss! Trotz allem, was beim letzten Mal passiert war, also zurück auf den Roller, zurück auf die schlimmsten Straßen der Welt und zurück in den Süden von Laos für Solo-Motorrad-Loop 2.0!

Allerdings gab es da noch ein klitzekleines Problemchen. Flüge nach Laos zu finden ist nicht unbedingt einfach. Erst recht nicht aus den Philippinen und erst recht nicht mit noch genau einem Tag Visum… Mit der ganzen Expertise aus sechs Monaten Südostasien mussten also dringend Alternativen her und wie es der Zufall so wollte, war nicht nur die Alternative schnell gefunden, sondern auch eine alte Bekannte gerade bei meiner Spontalösungs-Destination.

Drei Flüge später war ich so zwar (noch) nicht in Laos, aber immerhin am Flughafen vom (im Vergleich zum Oktober) sonnigen Da Nang, Vietnam. Der offizielle Start des Motorrad-Loop 2.0 musste also nochmal bis zur drei Tage später anstehenden Bus-Weiterreise aufgeschoben werden. Genauso wie mein Social-Battery-Recharging. Mit Ana aus Portugal und ihren Freundinnen, die ich während meiner Zeit auf Koh Phangan kennengelernt hatte, gab es in Da Nang nämlich spontan Gesellschaft.

Was ich allerdings nicht hatte, war Energie für Feiern, Ausgehen und jede Menge Unternehmungen mit dem Rest. Leicht erkältet aus den Philippinen ausgereist war mein Vietnam-Tagesablauf dementsprechend: Endlich wieder gutes Essen, Premium-Hotel und Rooftop-Pool! Ziemlich Backpacking untypisch, gerade nach einem Monat Philippinen, wo günstige Premium-Qualität eine absolute Rarität war, aber auch ziemlich geil. Dass Da Nang als Magnet für russische und chinesische Pauschaltouristen ansonsten eigentlich einen ziemlich komischen Vibe hatte, konnte ich insofern ausnahmsweise getrost ignorieren. Vermutlich müsste ich den Touristenmassen sogar irgendwie danken. Weil Angebot und Nachfrage schließlich den Preis ergeben, wäre unter normalen Bedingungen mein Hotelzimmer wahrscheinlich niemals für unter 100 € zu bekommen gewesen.

Mein eigentliches Ziel hatte ich trotz des unerwarteten Komforts aber natürlich nicht aus den Augen verloren, sodass es nach drei Tagen Vietnam finally per Bus über die Grenze nach Thakhek, Laos gehen sollte. Immer noch ziemlich im Premium-Hotel-Entspannungs-Modus, wurde ich bereits beim Anblick des „Reisebusses“ unsanft zurück in die Backpacking-Realität geholt. 16 Stunden Reisezeit, enge Sitze, überall seltsame Pappkisten und ein Fahrer, dem sein Leben offensichtlich nicht gerade wichtig war. Als ich dann noch für die Grenzkontrolle an einer völlig unscheinbaren Tankstelle kommentarlos zum Ausgang gebracht wurde, der Bus einfach weiterfuhr und die einzigen zwei anderen Touristen nur französisch sprachen, wusste ich, es geht zurück nach Laos. Wieso wollte ich das nochmal machen?!

Ganz einfach: Weil ich wusste, dass Laos wieder ein wildes Abenteuer wird! Angefangen mit einem zehnminütigen Marsch zu einem Grenzkontrollposten, der wie ein Katzenklo roch, ging es unmittelbar zur mit Abstand langsamsten US-$-Wechselstube der Welt, wo ich aufgrund eines Internetausfalls (reparieren wird anscheinend überbewertet) das Bild meines Personalausweises per Bluetooth an den Mitarbeiter senden durfte. Willkommen in 2012! Als ich dann in Thakhek mit drei thailändischen Frauen zwischen 50-60 im TukTuk Richtung Hostel saß und wegen der (sehr überraschenden) Kälte von ihnen mit Schal, Jacke und Handmassage (?!) versorgt wurde, war klar: Laos never disappoints!

Die nächste Überraschung gab es im Hostel, wo ich eigentlich völlig übermüdet direkt ins Bett springen wollte. Mit der Besitzerin, Nong, vibte ich aber direkt so gut, dass aus „kurz einchecken“ fast eine Stunde Business-Talk mit „Wie man ein Unternehmen in Laos führt“ wurde. Dabei gelernter Fun-Fact: In Laos zahlen Unternehmen regelmäßig einfach eine pauschale Flat-Tax, die im Fall von Nong 15 US-$ beträgt, und einmal pro Monat persönlich von einem Mitarbeiter der lokalen Regierung abgeholt wird. De facto müsste zwar so etwas wie eine Gewinnermittlung gemacht werden, auf deren Basis die tatsächliche Steuer ermittelt werden könnte. Weil Nong dann aber viel mehr zahlen müsste, war ihr das Prozedere natürlich absolut recht und angeblich auch für die Regierung in Ordnung. Die würden sich nämlich freuen, überhaupt etwas zu bekommen und nicht einfach ignoriert zu werden. Im deutschen Finanzamts-Jargon sozusagen Dauerschätzungsfall in Höhe der Vorauszahlung (und während ich hier so schreibe, die unweigerliche Frage, ob ich die Kosten für den Business-Learning-Day in Laos als Werbungskosten geltend machen kann).

Weil der erste Tag in Laos ansonsten fast vollständig für das Verfassen des letzten Blogposts geopfert werden musste, passierte darüber hinaus wenig. Abseits einer Local-Nachtmarkt-Erkundungstour mit Nong also endlich Zeit zum Batterie aufladen.

Genau das hatte ich mir schließlich für Laos vorgenommen und daher auch allen Offerten für Travelpartner auf dem Thakhek-Loop abgelehnt. Diese vier Tage sollten einfach nur ich, das Motorrad (wieder eine Honda Wave 🫡) und das Niemandsland von Laos werden. Nach Frühstück und Blogpost-Upload also mit maximaler Euphorie auf zur Etappe Nr.1 von Thakhek nach Nakai und mit maximaler Euphorie rein in die erste Polizeikontrolle…

Shit! Während ich zum Polizisten fuhr, kamen direkt die Geschichten über horrende Strafzahlungen auf dem Ha Giang Loop in mein Gedächtnis und von den ebenfalls kontrollierten Touristen schnappte ich irgendwas von 100 US-$ auf. Gar kein Bock! Mit wirklich schlecht gespieltem Selbstbewusstsein also dem Beamten erstmal meinen deutschen Führerschein (wo es so aussieht, als hätte ich den A-Führerschein) übergeben, nichts weiter gesagt und versucht entspannt zu gucken. Getreu dem Motto: Hier seht, alles in Ordnung und jetzt lasst mich weiterfahren!

Sichtlich irritiert von meiner gespielt entspannten Art tauschte sich der Polizist erstmal mit seinem Kollegen über meinen Führerschein aus und gab ihn mir dann tatsächlich fast schon enttäuscht zurück. Meine Täuschung hatte funktioniert!!! Zumindest zu 95%. Weil die beiden mich nicht ganz ohne finanziellen Beitrag gehen lassen wollten, wurde mir anhand einer handschriftlichen Zeichnung erklärt, ich hätte die Kreuzung von der falschen Spur aus überquert. Dass de facto keine Straßenmarkierungen existierten und sekündlich Locals denselben „Fehler“ machten, war den beiden dabei offensichtlich egal. Und mir in Anbetracht der Strafgebühr von entspannten 100.000 KIP (5 US-$) irgendwie auch.

Auf dem Weg nach Nakai standen vor allem Höhlen und Aussichtspunkte auf dem Programm. Meine präsenteste Erinnerung ist aber vor allem die Temperatur. Im Süden von Laos war es mit bewölkten 17-23 Grad nämlich alles andere als warm. Als jemand, der sich über die Monate an die tropisch warme Temperatur gewöhnt hatte und jetzt nur mit T-Shirt und kurzer Hose auf dem Roller saß, fast schon Eistruhen-Feeling. Bzw. Herbst-Feeling. Aufgrund der Trockenzeit hatte sich die Landschaft im Vergleich zum November nämlich von grün in braun-orange verwandelt. Abseits von den Zeiten auf dem Roller führte diese Kombination mit dem frisch-trüben Wetter so zu seltsam melancholischen Flashbacks an goldene Septembertage in Deutschland. Klingt leicht depressing, war aber genau das, was ich wollte/brauchte.

Nach Höhlen-Klettertour und verlassenem Wasserpark (inklusive Avengers-Figuren?!) war abends auch schon wieder Schluss mit der Ruhe. Im Zimmer traf ich auf Thomas aus Dänemark, der mit einem Schweizer-Pärchen den Loop machte und mich für ein Bier überredete. Irgendwie war die Social Battery ja auch wieder etwas aufgeladen.

Am nächsten Morgen ging es zwar trotzdem allein weiter, das Schicksal ließ aber nicht lange auf sich warten und führte mich am frühen Nachmittag zurück zu dem Dänisch-Schweizerischen Trio. Wirklich solo Solotraveln ist halt echt nicht einfach 😉 So schwer sogar, dass ich meine Solo-Loop-Pläne am dritten Abend gänzlich aufgab. Zufällig hatte Thomas wieder denselben Dorm wie ich gebucht und zufällig dasselbe Programm für den nächsten Tag. Die Rückreise nach Thakhek würden wir also gemeinsam fahren.

Drei Tage Batterie aufladen hatten ehrlicherweise auch gereicht. Bereits am Vortag hatte ich eine ziemlich coole Zeit mit einem Pärchen aus Hamburg, das ich auf einer Tour durch die (wirklich beeindruckende) Tham Kong Lo-Cave kennenlernte und dabei wieder merkte, dass jeder Mensch so viele tolle Storys mitbringt. Hätte ich nicht einfach mal nachfragt, hätte ich vermutlich nie erfahren, dass ich mit einem Electro-Festivalmanager im Boot durch die Dunkelheit der Höhle fahre, der Anekdoten zu ziemlich jedem bekannteren DJ parat hatte.

Gemeinsam mit Thomas den letzten Tag des Loops zu fahren war rückblickend zudem eine der besten Entscheidungen der Tour. Einerseits konnte ich endlich mal wieder ein paar schicke Bilder von mir bei der absolut atemberaubenden ZIP-Line-Tour durch das Rock-Viewpoint-Gelände abstauben. Andererseits machte die Tour zu zweit so viel mehr Spaß. Trotz Regen, Wind und anstrengender ZIP-Line-Tour zogen wir die knapp drei Stunden auf dem Roller ohne größere Probleme durch.

Ohne größere Probleme, weil es doch einmal knapp werden sollte. Als die ansonsten (Im Vergleich zum Norden) überraschend guten Straße des Loops auf einer etwa 10 Kilometer langen Distanz gerade verbreitert wurde und wir Laos-typisch einfach zwischen Raupen und Baggern neben Trucks, Bussen und Autos durchfuhren, wäre es fast zu Unfall 2.0 gekommen. Statt frühzeitigem Bremsen cruiste ich nämlich entspannt mit knapp 50 km/h Richtung Thakhek als das kurze asphaltierte Teilstück abrupt zu Ende ging. Weil sich davor der Baustellen-Dreck mit dem Regen auf der Straße zu einer ziemlich matschigen Angelegenheit vermengt hatte, schlug mein Hinterrad beim Bremsen plötzlich nach rechts aus und ich lag schon halb auf der Straße. Irgendwie konnte ich den Lenker aber nach links reißen und so die Stabilität wieder gewinnen. Gerade rechtzeitig, um auch den Wechsel auf die Schotterpiste zu überstehen.

Sicher angekommen in Thakhek wollte ich mein Glück nach dieser Erfahrung allerdings nicht weiter herausfordern und gab den Roller unmittelbar zurück, fest davon überzeugt, nie wieder auf einen Roller in Laos zu springen. Wozu auch? Meine Mission war erfolgreich abgeschlossen. (Fast-) Solo-Motorrad-Loop 2.0. Check!

Zurück im Bike & Bed-Hostel gab es Feedback zum Loop und natürlich Business-Small-Talk 2.0 mit Nong, die darüber hinaus meine restlichen Tage in Laos für mich organisierte. Per Bus ging es daher am nächsten Tag weiter nach Süden in die grenznahe Stadt Pakse. Ohnehin auf dem Weg nach Bangkok und bekannt für tolle Wasserfälle sowie überragenden Kaffee ein No-Brainer-Stop.

Und wieder mal eine Bestätigung, dass Laos seinen ganz eigenen Charme hat. Offiziell zwar die drittgrößte Stadt des Landes, fühlte ich mich vor Ort eher wie in einem größeren Ort. Angekommen im Hostel gab’s selbstverständlich wieder jede Menge Franzosen sowie eine Einladung, am nächsten Tag auf eine Kaffee X Waterfall-Tour mitzukommen. Nichts leichter als das! Die Social Battery war wieder voll aufgeladen, die Wasserfälle wunderschön und das gemeinsame Sunset-Watching am Mekong ein wirklich gelungener Abschluss von Laos 2.0.

XOXO Pallo